Ob ein Kind auf dem Pausenhof vom Klettergerüst stürzt und sich ein Bein bricht oder ob der Unfall auf der Klassenfahrt oder beim Schulausflug passiert, macht für den Versicherungsschutz keinen Unterschied. „Entscheidend ist einzig und allein, ob es sich um den organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule handelt“, erklärt Jörg Zervas, Abteilungsleiter Rehabilitation und Entschädigung bei der Unfallkasse Rheinland-Pfalz. Mit anderen Worten: Die gesetzliche Unfallversicherung deckt alle Aktivitäten ab, die von der Schule organisiert werden. Das gilt auch für längere Inlands- oder Auslandsreisen – allerdings nicht 24 Stunden am Tag.
Wichtig ist, dass Schülerinnen und Schüler auch während Klassenfahrten offiziell Freizeit haben. „Wie zu Hause auch“, so Zervas. Der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung endet, sobald die Schülerinnen und Schüler frei über ihre Zeit verfügen können: wenn die Lehrkräfte zum Beispiel erklären, dass um 19 Uhr für alle Feierabend ist. Ob die Schülerinnen und Schüler dann in der Stadt noch etwas bummeln, draußen Fußball spielen oder auf dem Zimmer irgendwelchen Quatsch machen, entzieht sich der Verantwortung der Schule. Auch für jüngere Kinder endet der Unfallversicherungsschutz spätestens, wenn sie abends ins Bett gehen.
Dabei ist nicht entscheidend, ob eine Lehrkraft die Aktivitäten beaufsichtigt. „Was zählt, ist, dass es von der Schule klare Vorgaben gibt.“ Die Schülerinnen und Schüler können beispielsweise auch unbegleitet in Gruppen unterwegs sein, um fürs gemeinsame Abendessen einzukaufen oder eine andere Aufgabe zu erledigen. Der Schutz endet erst in dem Moment, in dem die Kinder sogenannten eigenwirtschaftlichen oder privaten Tätigkeiten nachgehen. „Darauf haben Schulen keinen Einfluss“, betont Jörg Zervas. „Passiert dabei ein Unfall, sind die Kinder nicht versichert.“ Doch sowohl bei der Nachtruhe als auch bei Freizeitaktivitäten gibt es Ausnahmen. Ereignet sich ein Unfall aufgrund der Besonderheit der Unterkunft oder aufgrund von gruppendynamischem Verhalten, greift der Versicherungsschutz: Wenn zum Beispiel während der Nachtruhe eine Schülerin auf dem Weg zur Toilette über ein ungesichertes Kabel im Zimmer des Landschulheims stolpert. „Dieser Unfall war eindeutig der Begebenheit der Unterkunft geschuldet.“
Anderes Beispiel: Ein Schüler wollte im Hotel an einer geheimen Fete in einem Zimmer teilnehmen, jedoch fürchtete er, auf dem Weg über den Flur von Lehrkräften erwischt zu werden. Deshalb kletterte der Junge über einen Fenstersims und stürzte ab. Die Gruppendynamik habe zu dem Unfall geführt, erklärt der Experte. Im Einzelfall gehe es immer um die Frage: „Warum ist der Unfall passiert?“ Auch wenn Kinder genötigt werden, bei einer Mutprobe oder Ähnlichem mitzumachen, ist der Versicherungsschutz gewährleistet. Keine Rolle spielt dabei übrigens, ob sich die Schülerinnen und Schüler verbotswidrig verhalten.
Der Unfallversicherungsschutz gilt auch bei Reisen übers Wochenende, allerdings – zumindest in den allermeisten Bundesländern – nicht in den Ferien. „In der Regel handelt es sich dabei nicht um offizielle Schulausflüge, sondern um Ferienbetreuung“, erklärt Jörg Zervas.
Auch Krankheiten wie Infektionen sind normalerweise nicht von der Unfallkasse abgedeckt. Anders verhält es sich, wenn ein Kind beim Schlittschuhlaufen im Eis einbricht und sich dabei eine Erkältung zuzieht. „In dem Fall ist die Erkrankung eine Folge des Unfalls“, so der Fachmann. Auch eine Ansteckung mit dem Coronavirus kann als Schulunfall anerkannt werden. Bedingung: Das Kind hat sich nachweislich in der Schule oder auf der Klassenfahrt angesteckt.
Lässt sich ein Kind nach einer Klassenfahrt von seinen Eltern abholen, gilt auf dem Heimweg der Unfallversicherungsschutz. Das ist auch der Fall, wenn Mütter und Väter die Hin- und Rückfahrt der Klasse mit eigenen Autos organisieren. „Das muss allerdings von der Schule geplant sein“, betont Jörg Zervas.
Autorin: Kathrin Hedtke, freie Journalistin