Die Kopernikusschule in Freigericht legt viel Wert auf Entspannung im Schulalltag – und kommt dadurch gut durch die Coronakrise.
Ob Atemübungen vor Vokabeltests, Yoga zur Entspannung, Sportangebote in der Pause oder Kooperationsspiele auf dem Schulhof: „Wir haben das Wohlergehen unserer Schülerinnen und Schüler immer im Blick“, sagt Kerstin Mathie, Beratungslehrkraft für Sucht- und Gewaltprävention an der Kopernikusschule im hessischen Freigericht. „Doch durch Corona ist das Thema noch stärker in den Fokus gerückt.“ Die Lehrkräfte seien jetzt besonders sensibilisiert, im Schulalltag zur psychischen Entlastung der Schülerinnen und Schüler beizutragen. Dabei kommt dem Kollegium zugute, dass die Schule bereits seit Jahren kontinuierlich Konzepte zur individuellen und allgemeinen Unterstützung erprobt und auf allerhand Ideen und Materialien zurückgreifen kann.
Nach den Sommerferien begann das neue Schuljahr in der kooperativen Gesamtschule deshalb nicht mit Unterricht, sondern mit einem Projekttag rund um soziales Lernen. Die Jungen und Mädchen balancierten zum Beispiel gemeinsam Bälle über Röhren und lösten im Team knifflige Aufgaben. Außerdem suchten die Lehrkräfte immer wieder das Gespräch, wollten wissen: „Mit welchen Gefühlen startet ihr ins neue Schuljahr?“
In speziellen Konferenzen und Fortbildungen lernen die Lehrkräfte der Kopernikusschule, welche Spiele und Bewegungsangebote am besten zur Entspannung im Schulalltag beitragen, aber auch, wie Gespräche zur Lösung von Konflikten oder schwierigen Situationen geführt werden. Auch eine Onlinefortbildung zu psychischer Gesundheit sei sehr gut besucht gewesen, berichtet Kerstin Mathie. Dort wurde thematisiert, bei welchem Verhalten von Kindern man hellhörig werden soll – und wie man dann damit umzugehen hat.
Nach dem Coronaschuljahr fällt es nicht allen Mädchen und Jungen leicht, in den Schulalltag zurückzufinden. Deutschlands größte allgemeinbildende Schule mit rund 2.500 Schülerinnen und Schülern habe deshalb ihre Förderangebote ausgebaut und die Diagnostik geschärft, erklärt die Beratungslehrerin, die auch verantwortlich im Gesundheitsteam der Schule mitarbeitet. Dabei liegt das Augenmerk nicht nur darauf, welchen Nachholbedarf es in Fächern wie Mathe oder Deutsch gibt, sondern auch, welche sozialen Probleme auftreten. „Wir schauen jetzt noch intensiver, wer gezielt Unterstützung benötigt“, betont Mathie. Wer sich zum Beispiel morgens mit dem Schritt in die Schule schwertut, kann – in Absprache mit den Eltern und bei diagnostiziertem Förderbedarf – das Gebäude abseits des Trubels durch einen separaten Eingang betreten. Dort können die Kinder und Jugendlichen in Ruhe ankommen und erhalten professionelle Unterstützung beim Start in den Schulalltag. In einem Raum in hellen Beige- und Grüntönen stehen Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter für Gespräche bereit, sie bieten Yoga- und Meditationsübungen an – und begleiten die Mädchen und Jungen bei Bedarf bis ins Klassenzimmer.
Beliebt im Schulalltag sind Spiele und Übungen, die das Wohlbefinden der gesamten Klasse steigern. In den fünften und sechsten Jahrgängen ziehen die Kinder zum Beispiel einen Zettel mit dem Namen eines Mitschülers, um den sie sich in den nächsten Wochen unauffällig besonders kümmern. Danach wird ausgewertet: Hat das Kind etwas gemerkt? Wie hat es sich angefühlt? Nach Überzeugung der Lehrerin ist es sinnvoll, bestimmte bewährte Strukturen fest im Schuljahresablauf zu verankern. „Rituale wie eine Entspannungsübung vor jedem Vokabeltest sind sehr hilfreich“, meint Mathie.
Die Lehrkräfte haben in der Coronazeit schnell gute Lösungen gefunden – und wussten, worauf es ankommt. So habe die Schule schon früh eine Teamstruktur aufgebaut, um während des Lockdowns mit den Schülerinnen und Schülern eng in Kontakt zu bleiben, sei es per E-Mail oder Video. Dabei kam den Lehrkräften zugute, dass schon länger an einer medialen Kommunikationsstruktur für die gesamte Schulgemeinde gearbeitet wurde. „Wir sind bis jetzt gut durch die Krise gekommen, weil wir immer im Gespräch geblieben sind“, betont die Lehrerin.
Das soll auch künftig so bleiben: Kann ein Kind länger nicht zur Schule gehen, soll es trotzdem am Schulalltag teilnehmen können. Die technische Ausstattung ermögliche es, die Schülerinnen und Schüler im besonderen Einzelfall unter Beachtung des Datenschutzes sogar per Video in die Klassenzimmer zuzuschalten. Das gilt auch für Lehrkräfte. Ihr Fazit: „Wir bemühen uns um so viel Normalität wie möglich.“ Schließlich trägt Normalität in Krisenzeiten sehr zur Entspannung bei.
Autorin: Kathrin Hedtke, freie Journalistin