Im folgenden Interview erläutert der Medienpädagoge Gregory Grund, was Lehrkräfte bei einem Elternchat beachten sollten.
Auf Elternabenden taucht häufiger die Idee auf, eine Chatgruppe zu gründen. Bietet ein Elternchat für Lehrkräfte denn Vorteile?
Wenn sich am Elternchat wirklich alle Eltern beteiligen, verfügt eine Lehrkraft über einen direkten, niederschwelligen Kommunikationskanal. Sie kann schnell wichtige Informationen streuen oder Planungen an der Schule absprechen, wie etwa eine Klassenfahrt.
Aber wird ein Elternchat nicht leicht zu einem Zeitfresser?
Manche Kommunikation zieht Folgekommunikation nach sich, die nicht unbedingt weiterhilft. Wenn Eltern das Gefühl haben, die Person ist im virtuellen Raum greifbar, stellen sie auch viele Fragen, die sie sonst gar nicht stellen würden. Für Lehrkräfte bedeutet das definitiv mehr Aufwand.
Besteht nicht auch die Gefahr, permanent erreichbar zu sein?
Ja. Die Struktur eines Chats verleitet manche Eltern dazu, auch abends um 23 Uhr noch eine Frage an die Lehrkraft einzustellen mit der Erwartung, dass sie um 23.10 Uhr beantwortet sein muss. Den Anspruch gibt es aber nicht. Da dürfen und sollten Lehrkräfte selbst Spielregeln festlegen.
Wer legt überhaupt fest, was der Zweck der Chatgruppe ist, und wie?
Am besten ist es, wenn die Chatgruppe aus einem gemeinsamen Gespräch, zum Beispiel am Elternabend, heraus erstellt wird und dort vorab geklärt wird, was besprochen wird. Und dass man auch Grenzen festlegt, worüber nicht gesprochen wird. Dass es zum Beispiel keine Einzelrückmeldungen zu Kindern gibt, sondern vor allem organisatorische Fragen geklärt werden.
Und welche Regeln sollen gelten?
Eine wichtige Frage lautet: Gibt es so etwas wie Öffnungszeiten morgens und abends? Wie ist das in den Ferien? Entscheidend ist: Ein Elternchat braucht Spielregeln für die Kommunikation. Denn manche Eltern verwenden formale Höflichkeitsformeln, andere sind ein bisschen flapsig und machen aus einem Satz sieben Nachrichten. In der Textkommunikation werden manchmal Dinge formuliert, die man anderen nicht ins Gesicht sagen würde. Daher ist es sinnvoll, einen kleinen Regelsatz zu erarbeiten und den als angepinnte Nachricht oder Bild in der Gruppe allen sichtbar zu machen. Gut ist es auch, eine Person zu finden, die sich als Administrator auch inhaltlich verantwortlich fühlt und ihr das Mandat zu geben, an gemeinsame Regeln zu erinnern und wenn nötig zu moderieren.
Manchmal schaukeln sich im Chat Konflikte hoch. Wie geht eine Lehrkraft damit am besten um?
Meiner Erfahrung nach lassen sich nur sehr niedrigschwellige, emotional nicht aufgeladene Konflikte innerhalb des Chats vollständig lösen. Wenn es ernster ist: entweder zum Telefonhörer greifen oder ein persönliches Gespräch anberaumen. Wenn sich Eltern im Chat negativ über die Lehrkraft äußern oder gar mobben, sollte man den Chat sofort beenden. Es ist, eventuell auch unter Mithilfe des Elternbeirates, zu klären, dass man sich solche Äußerungen verbittet. Wirkungsvoll ist es, wenn nicht der Angegangene selbst reagiert, sondern es aus der Gruppe heraus eine Art Selbstreinigungskraft gibt oder eben der Eltern-Admin mäßigend eingreift.
Es gibt auch Elternchatgruppen, an denen die Lehrkräfte gar nicht beteiligt sind. Was raten Sie in so einem Fall?
Gibt es dort Vorwürfe oder gar Beleidigungen, sollte man darum bitten, mitgeteilt zu bekommen, wer sich echauffiert, und demjenigen ein Gespräch anbieten. Außerdem kann man an einem Elternabend das Thema Medienethik aufgreifen. Dafür ist zu empfehlen, dass ein Experte hinzugezogen wird, etwa ein Medienpädagoge oder Präventionsbeamter der Polizei.
Medienpädagoge Gregory Grund ist Mitgründer und Gesellschafter der gemeinnützigen Digitale Helden GmbH und Co-Autor des Buchs „99 Tipps: Social Media. Praxis-Ratgeber Schule für die Sekundarstufe I und II“.
Das Interview führte Mirjam Ulrich, freie Journalistin