Driton Gashi hilft jungen Menschen, die um ihren Schulabschluss kämpfen. Dabei ist an der Dortmunder Max-von-der-Grün-Abendrealschule interkulturelle Kompetenz wichtig: Der Anteil der Schülerschaft mit Migrationshintergrund beträgt 70 Prozent. Bei der Arbeit kommen dem Schulsozialarbeiter auch Erfahrungen seiner eigenen Zuwanderungsbiografie zugute.
Im Büro sitzt ein tieftrauriger Schüler. Der Fastenmonat Ramadan weckt schmerzhafte Erinnerungen an Familienfeiern und die Heimat in der Ferne. In solchen Momenten denkt der Schulsozialarbeiter daran, wie er selbst als 15-Jähriger aus dem krisengeschüttelten Kosovo nach Deutschland umsiedelte: „Die Trauer und das Heimweh des Jugendlichen konnte ich gut nachvollziehen“, sagt Driton Gashi.
Gefühle wahrnehmen, zuhören, ermutigen: Man kann sich gut vorstellen, wie der 43-Jährige Zugang zu Menschen findet, die in Schwierigkeiten stecken. „Beziehungsarbeit ist das A und O in dem Beruf“, sagt er. Neben empathischen Fähigkeiten sind in dem Job auch interkulturelle Kompetenzen gefragt: Die Abendrealschule im Dortmunder Unionsviertel ist von Zuwanderung geprägt.
Was bedeutet das im Schulalltag? Wenn die Angst um Angehörige im Kriegsgebiet hochkommt, spendet Driton Gashi Trost. Er hilft bei der Ausländerbehörde, vermittelt Verhaltensanforderungen und Erwartungen der deutschen Mehrheitsgesellschaft. „Die Arbeit mit Geflüchteten hat an der Schule deutlich zugenommen“, sagt der Schulsozialarbeiter. Seine Zuwanderungsbiografie eröffnet zusätzliche Kanäle, um Jugendliche zu erreichen. Eine fremde Sprache lernen, in einem neuen Land zurechtkommen, den Schulunterricht bewältigen, die Anforderungen der Bürokratie durchschauen: Das alles hat der in Prishtina geborene Mann am eigenen Leib erfahren. „All das muss man als Zuwanderer erst einmal bewältigen.“
An der Schule ist die Nachfrage nach Beratung insgesamt gestiegen. Viele Jugendliche, egal welcher Herkunft, suchen Hilfe bei persönlichen und sozialen Problemen. Der erhöhte Unterstützungsbedarf in der Schülerschaft ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen Entwicklung. „Die Klientel der Schule verändert sich schon seit den 1990er Jahren“, beobachtet Schulleiter Falko Grunau.
Herr Grunau, warum ist Schulsozialarbeit aus Sicht des Schulleiters wichtig?
Seit der Mitte der 1990er-Jahre beobachte ich, dass sich die Klientel an der Max-von-der-Grün-Abendrealschule verändert. Es kamen immer mehr Schülerinnen und Schüler mit schwierigen oder gescheiterten Schulkarrieren. Die Kontinuität im Schulbesuch und die Resilienzfähigkeit der Jugendlichen ließ nach, zugleich stieg das Stressempfinden vieler Schülerinnen und Schüler. Das alles sorgte für zusätzlichen Beratungsbedarf.
Wie haben Sie auf diese Entwicklung reagiert?
Es gab die einhellige Meinung im Kollegium, eine neu zu besetzende Lehrerstelle in eine Schulsozialarbeiter-Stelle umzuwandeln. Das haben wir dann in der Lehrerkonferenz auch so entschieden.
Wie läuft die alltägliche Zusammenarbeit mit der Schulsozialarbeit?
Herr Gashi ist im Kollegium äußerst anerkannt und voll integriert. Er entlastet Lehrkräfte und die Schulleitung deutlich. Dazu kommt seine interkulturelle Kompetenz, von der wir profitieren. 70 Prozent unserer Schülerinnen und Schüler haben einen Migrationshintergrund.
Wie ist die Kommunikation zwischen Schulleitung und Schulsozialarbeit?
Wir pflegen einen unkomplizierten und direkten Zugang: Die Tür steht immer offen. Wie vertrauensvoll das Verhältnis ist, zeigt sich auch in anderer Hin-sicht. Vor einigen Jahren lud Herr Gashi zu einer Studienreise ein in seine alte Heimat, den Kosovo. Fast das komplette Schulkollegium ist mitgefahren – privat während der Schulferien.
Ein Gespräch mit Falko Grunau, Leiter Max-von-der-Grün- Abendrealschule Dortmund
René de Ridder, Redakteur (Universum Verlag)
Ihm zufolge ist die Abendrealschule immer stärker zum Anlaufpunkt für Menschen mit schwierigen Lernbiografien geworden, die auf dem zweiten Bildungsweg einen Schulabschluss machen wollen. Es sind oft Schülerinnen und Schüler, die mehr Unterstützung brauchen. Themen: Geldknappheit, Vereinsamung, psychische Probleme und Wohnungsnot.
Wer über so etwas mit dem Schulsozialarbeiter spricht, benötigt Vertrauen. Gashi stellt sich zu Beginn jedes Semesters in den Klassen vor – ein erster Schritt, um Vertrauen aufzubauen. Der 43-Jährige betont: „Ohne Vertrauen keinen Beratungserfolg! Und ohne die Unterstützung des gesamten Kollegiums und der Schulleitung übrigens auch nicht.“
Fragt man junge Erwachsene, ist die Schulsozialarbeit an der Abendrealschule voll akzeptiert. Centurion Emokpaire, 22 Jahre: „Die Leute sagen: ,Wenn du Probleme hast, geh zu Herrn Gashi.“
Centurion Emokpaire, 22 Jahre, Schüler: „Herr Gashi ist ein toller Mensch. Er hilft mir bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz als Maler und Lackierer. Die Leute sagen: ‚Wenn du Probleme hat, geh zu Herrn Gashi.“
Melanie Finger, 34 Jahre, Schülerin: „Ich hole gerade meinen Realschulabschluss nach. Manchmal war ich etwas ängstlich. Und dann ist es gut, wenn jemand an dich glaubt: Herr Gashi steht hinter einem wie ein Fels in der Brandung.“