Manchmal müssen Kinder und Jugendliche zur schulischen Turnhalle teils kilometerlange Fußwege bewältigen. Sind Begleitpersonen, die Schülerinnen und Schülern zur Halle begleiten, gesetzlich unfallversichert? Ein Interview mit Sabine Baulig und Bodo Köhmstedt von der Unfallkasse Rheinland- Pfalz.
Frau Baulig, sind Begleitpersonen, die Schülerinnen und Schüler aufgrund des Sportunterrichts zu einer weiter entfernt liegenden Turnhalle begleiten, gesetzlich unfallversichert?
Baulig: Ja. Sowohl die Schülerinnen und Schüler als auch die Begleitpersonen, die im Interesse der Schule tätig sind, sind auf diesen Wegen unfallversichert.
Spielt es dabei eine Rolle, ob die Begleitpersonen Lehrkräfte, Eltern oder Angestellte der Stadt- bzw. Gemeindeverwaltung sind?
Baulig: Beauftragte Eltern, angestellte Lehrkräfte und Beschäftigte der Kommunen sind gesetzlich unfallversichert. Bei der Begleitung kommen in der Regel zwei Unfallversicherungsträger in Betracht: Im Fall von öffentlichen Trägern die Unfallkassen, bei privaten oder konfessionellen Schulen in der Regel die Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG). Bei beamteten Lehrkräften greift die Dienstunfallfürsorge des Dienstherrn.
Sollten Eltern schriftlich mit der Begleitung „beauftragt“ werden?
Baulig: Ein schriftlicher Auftrag bzw. Vertrag ist grundsätzlich nicht erforderlich. Aber im Falle eines Unfalls kann der Versicherungsschutz meist etwas schneller geklärt werden, wenn etwas Schrift liches vorliegt.
Wie viele Schülerinnen und Schüler dürfen maximal von einer Person begleitet werden?
Baulig: Von der gesetzlichen Unfallversicherung gibt es hier bewusst weder starre Regelungen noch Empfehlungen. Das ist von der individuellen Situation abhängig. Insbesondere folgende Kriterien spielen eine Rolle: Alter, Verhalten und Reife der Schülerinnen und Schüler, Größe der Gruppe, Gruppendynamik, die Gefährlichkeit der Strecke und die Zumutbarkeit für die jeweiligen Begleitpersonen.
Kommt es auch auf die Einschätzung der Fachkraft vor Ort an?
Baulig: Ja. Die pädagogische Fachkraft kann das am besten einschätzen. Die Rechtsprechung sagt hierzu: „Das Maß der gebotenen Aufsicht bestimmt sich nach Alter, Eigenart und Charakter der Kinder, nach der Voraussehbarkeit des schädigenden Verhaltens sowie danach, was den Aufsichtspflichtigen in ihrem jeweiligen Verhalten zugemutet werden kann. Entscheidend ist letztlich, was ein verständiger Aufsichtspflichtiger nach vernünftigen Anforderungen im konkreten Fall unternehmen muss.
Herr Köhmstedt, welche Funktion hat in diesem Kontext die Gefährdungsbeurteilung?
Köhmstedt: Neben Art und Umfang der Aufsichtsführung muss der Weg zur Turnhalle für die Schülerinnen und Schüler sicher begehbar sein. Dies kann auch bedeuten, dass ein kleiner Umweg in Kauf genommen wird, da dieser beispielsweise durch eine Ampel oder Überführung die sicherere Variante darstellt. Neben den bereits genannten Kriterien sind auch situative Aspekte wie zum Beispiel eventuelle Baustellen auf dem Weg zu berücksichtigen. Diese Abschätzung potenzieller Gefahren auf dem Weg ist nichts anderes als die im Arbeitsschutzgesetz geforderte Gefährdungsbeurteilung.
Sollte die Schule mögliche Gefahrstellen auf dem Weg zur Turnhalle prüfen?
Köhmstedt: Sicherlich kann von der Schule nicht erwartet werden, vor jedem Gang den Weg auf akute Gefahren zu überprüfen. Jedoch sollte, sobald eine mögliche Gefahrenstelle bekannt ist, die Situation neu beurteilt und gegebenenfalls berücksichtigt werden. Vorteilhaft ist, wenn der Schulträger die Schulen über eventuelle geänderte Gegebenheiten im Einzugsgebiet, zum Beispiel über Straßenbaustellen, frühzeitig informiert. Bei allen weiteren Fragen zur Verkehrssicherheit können auch externe Partner eingebunden werden (siehe rechts).
Sabine Baulig ist stellvertretende Leiterin der Abteilung „Rehabilitation und Entschädigung“, Unfallkasse Rheinland-Pfalz. Bodo Köhmstedt leitet das Referat „Bildungseinrichtungen“ in der Abteilung „Prävention“.
Interview: René de Ridder, Redakteur (Universum Verlag)