Im Saarland betreuen Fachkräfte der Kitas und der Grundschulen gemeinsam die Vorschulkinder – ein Jahr lang, einmal pro Woche. Dadurch soll der Übergang erleichtert werden.
Herr Aumüller ist da. Frau Bart auch. Und Herr Walter. Die Anwesenheitskontrolle mit Nachnamen ist für die Vorschulgruppe der Kita Scheidt ein großer Spaß. Gleichzeitig erproben die Kinder eine neue Rolle: Sie sind die Großen in der Kita und werden bald zu Schulkindern.
Kita und Grundschule in Saarbrücken- Scheidt kooperieren eng: Erzieherinnen und Erzieher bilden mit einer Lehrkraft ein pädagogisches Tandem. Sie treffen sich einmal wöchentlich und betreuen gemeinsam die sogenannte SchuKi-Gruppe.
„Die Kinder sollen selbstbewusst in die Schule starten“, sagt Kitaleiterin Susanne Kunz. Schulleiterin Jessica Krebs ergänzt: „Wir wollen einen sicheren Übergang gestalten.“ Um dies zu ermöglichen, kooperieren die Kita und die zweizügige Grundschule. Die Kinder können sich selbst ein Bild machen von dem, was sie erwartet.
Dieses Kooperationsjahr wurde im Saarland mit dem Schuljahr 2016/2017 flächendeckend eingeführt. Sowohl die Lehrkräfte als auch die Erzieherinnen und Erzieher haben dafür ein zusätzliches Stundenkontingent von bis zu zwei Stunden pro Woche und Gruppe. Entwickelt wurde das Projekt bereits vor 15 Jahren hier in Scheidt gemeinsam von der Kita und der Grundschule.
Um mögliche Ängste ab- und Vertrauen aufzubauen, lernen die Kinder die Lehrkraft in den ersten Monaten in der Kita kennen. Diese hat anfangs eine stark beobachtende Rolle. Sie baut Beziehungen auf, lernt die Kinder kennen, indem sie diese bei einem Waldtag begleitet oder bei Alltagsproblemen wie dem Schuhebinden hilft. Dadurch wächst die Lehrerin oder der Lehrer allmählich in die Gruppe hinein. Bis zum Ende des Kindergartenjahres findet schrittweise ein Rollenwechsel statt: Dann leitet die Lehrkraft die SchuKi-Gruppe und die Erzieherinnen und Erzieher begleiten und betreuen.
„Für uns ist das eine Chance“, sagt Schulleiterin Jessica Krebs. Die Lehrkräfte lernen die Kinder mit ihren Interessen und Stärken im vertrauten Umfeld der Kita kennen. Auch auf die besonderen Bedarfe von Kindern kann sich die Schule frühzeitig einstellen.
Hier in Scheidt läuft inzwischen das zweite Halbjahr. Die Vorschulgruppe hat das Programm an die Grundschule verlegt. Eine Handvoll Kinder hospitiert mit einer Erzieherin in der ersten Klasse. Auf dem Stundenplan steht Deutsch, ein Umlaut wird eingeführt. Die Klassenlehrerin holt die Kinder auf ihrem Niveau ab. Worte mit „au“? Ein SchuKi weiß: „Baumhaus.“
Die pädagogischen Tandems stimmen sich regelmäßig ab. „Wir begegnen uns auf Augenhöhe“, sagt Susanne Kunz. „Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte bringen ihre Stärken ein“, bekräftigt Jessica Krebs. Ein multiprofessionelles Team, das sich gegenseitig befruchtet. Wichtig ist, dass allen bewusst bleibt: Das SchuKi-Jahr ist kein vorgezogenes Schuljahr.
Ina Hossfeld, die Lehrerin des diesjährigen Kooperationsprojektes, stellt einem anderen Teil der SchuKi-Gruppe ein leeres Klassenzimmer vor. Hier malen die Kinder ein Zickzackbild, ordnen Flächen, Farben und Zahlen zu. Eine Übung, die sie aus der Kita kennen. Neu sind die Rituale und Regeln der Schule, die sie beiläufig erlernen: Anderen zuhören. Erst melden, dann reden. Wenn die Lehrerin die Klangschale schlägt: leise sein.
Ein fester Bestandteil des Kooperationsjahres ist ein gemeinsamer Elternabend des pädagogischen Tandems. Dabei hilft das gewachsene Miteinander von Eltern und Kita, die Lehrer sind oft noch Fremde. Die Erzieherinnen und Erzieher können Brücken bauen.
Die enge Verzahnung der beiden Bildungssysteme trägt Früchte – selbst wenn manche Kinder schließlich eine andere Grundschule besuchen. „Die Kinder entwickeln Vertrauen, dass sie bewältigen können, was auf sie zukommt“, sagt Susanne Kunz. Und die Erfahrung der Lehrerinnen und Lehrer hier zeigt: Die Kinder fühlen sich beim Schulstart emotional sicher und haben den Kopf frei, um zu lernen.
Gesa Fritz, Redakteurin (Universum Verlag)