Es gibt Fälle, in denen Kinder und Jugendliche im Internet peinliche Fotos von anderen veröffentlichen, Fake-Profile erstellen, über digitale „Beichtstühle“ Lügen verbreiten oder Morddrohungen verschicken. Was Lehrkräfte und Schulleitungen über die rechtlichen Aspekte von Cybermobbing wissen sollten.
Jugendliche zanken sich im Internet ebenso wie auf dem Schulhof. Doch nicht jede Auseinandersetzung ist gleich Mobbing, bei dem es ein Machtungleichgewicht und wiederholte Aggressionen gegen das Opfer gibt. Cybermobbing bezeichnen Fachleute als Fortsetzung des Mobbings mit digitalen Mitteln – gerade die machen Cybermobbing so brisant. Über Soziale Medien wie WhatsApp, Instagram oder Snapchat lassen sich Lügen und Gerüchte, Fotos und Videos schnell verbreiten.
Zwar gibt es in Deutschland keine speziellen Gesetze gegen Cybermobbing, doch Beleidigung, Bedrohung, Erpressung, Nötigung, Verleumdung, Stalking, Verletzung der Persönlichkeitsrechte oder der Vertraulichkeit des Wortes sind strafbar bzw. rechtswidrig. „Was offline verboten ist, ist online ebenfalls verboten“, sagt Gesa Stückmann. Die Rostocker Rechtsanwältin ist seit 2011 auf Fälle von Cybermobbing spezialisiert.
Zu den Persönlichkeitsrechten gehört das Recht am eigenen Bild. Ohne vorherige Einwilligung dürfen weder Fotos noch Videos von Lehrkräften oder Schülerinnen und Schülern veröffentlicht werden. Seit 2015 stellt zudem der sogenannte Paparazzi-Paragraph die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen und deren Weiterverbreitung unter Strafe. Dazu zählen etwa Fotos aus der Umkleidekabine oder Schultoilette. Heimliche Tonaufnahmen sind ebenfalls verboten. Smarte Kinderuhren mit Abhörfunktion wurden von der Bundesnetzagentur im November 2017 verboten.
Die Lehrkräfte sollen dann die Smartphones an sich nehmen – schon zur Beweissicherung. Sie dürfen sie jedoch nicht selbst kontrollieren und die Kinder oder Jugendlichen auch nicht dazu auffordern, ihnen zu zeigen, was auf den Handys ist. „Die Eltern der Täter oder Täterinnen gehen oft selbst schnell auf Konfrontation.“ Sie behaupten, der Sohn oder die Tochter sei unter Druck gesetzt worden. Im Verdachtsfall sollen Schulen lieber einmal mehr die Polizei einschalten als einmal zu wenig, rät die Juristin.
Auch Lehrkräfte selbst sehen sich Cybermobbing ausgesetzt. So wandte sich einmal eine Direktorin an die Rechtsanwältin Stückmann, weil Eltern online anonym über sie herzogen. Bei Kindern und Jugendlichen wiederum sind digitale Beichtstühle beliebt, für die sie Instagram und die App Tellonym nutzen. „Da schreiben sie etwa auch: ‚Der Lehrer X vergewaltigt Kinder‘ und finden das witzig.“ Das sei jedoch kein Jux, sondern strafbar.
Cybermobbing könne jeden treffen, konstatiert Gesa Stückmann. Schulen brauchen ein Konzept, wie sie Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte sowie Eltern sensibilisieren. Denen müsse ihre Verantwortung deutlich gemacht werden, sagt die Rechtsanwältin: „Sie geben schließlich ihrem Nachwuchs die Technik an die Hand und zahlen die Handyverträge.“
Mirjam Ulrich, freie Journalistin
Aufgrund der EU-Datenschutzgrundverordnung hob WhatsApp das Mindestalter für die Benutzung von 13 wieder auf 16 Jahre an. Ein Klick genügt, eine Kontrolle erfolgt nicht. Nicht wenige Eltern kommunizieren dennoch über WhatsApp mit ihren 10- oder 11-jährigen Kindern, berichtet die Rechtsanwältin. Die Mobilnummern werden von Kindern und Jugendlichen zudem oft einfach weitergereicht. Nicht nur Mitschüler und Mitschülerinnen machen dann die Betroffenen fertig, sondern auch Wildfremde.
„Lehrerinnen und Lehrer bekommen es häufig gar nicht mit, wenn online gemobbt wird“, sagt Gesa Stückmann. Selbst wenn die Lehrkräfte die beliebten Apps und Plattformen wie Snapchat, WhatsApp oder Instagram ebenfalls nutzen. Die Anwältin hat ehrenamtlich mehr als 500 Vorträge über Cybermobbing an Schulen in Mecklenburg- Vorpommern gehalten. Seit 2012 klärt sie bundesweit Schulklassen in ihren Webinaren „Law4School“ auf.
Die Expertin rät, bei Cybermobbing die Schulsozialarbeit oder den Schulpsychologischen Dienst einzubeziehen. Mitunter reiche es aus, den Peinigern die rechtlichen Konsequenzen aufzuzeigen. Was viele nicht wissen: Schülerinnen und Schüler sind zwar erst ab 14 Jahren strafmündig, doch zivilrechtlich können Kinder ab dem siebten Geburtstag belangt werden. Sie können auf Schadenersatz, Schmerzensgeld und die Übernahme ärztlicher Behandlungskosten verklagt werden. Ihre Fähigkeit zur Einsicht wird individuell berücksichtigt, sie haften für verursachte Schäden jedoch selbst. Ein Urteil ist über einen Zeitraum von 30 Jahren vollstreckbar.
Abmahnung und Unterlassungserklärung seien ebenfalls wirksame Mittel, um sich gegen Cybermobbing zu wehren, erläutert Gesa Stückmann. Eine Strafermittlung dauere, aber eine außergerichtliche Abmahnung gehe schnell. „In dem Schreiben steht auch die Summe, die der Täter oder die Täterin zahlen muss.“
Bei einer Reihe von Verstößen muss die Schulleitung die Polizei verständigen – nachzulesen im Schulerlass oder -gesetz des jeweiligen Bundeslandes. Dazu zählen Drohungen, Erpressungen und Nötigungen. Auch bei Gewaltdarstellungen oder pornografischen Inhalten müssen Lehrkräfte bei Verdacht auf eine Straftat die Polizei informieren. Sechstklässler teilen nicht nur Videos von Gräueltaten in Kriegsgebieten, berichtet Gesa Stückmann. „Sexting“, also das freiwillige Versenden von erotischen Selfies, sei unter Pubertierenden ebenfalls gang und gebe. Wer ein solches Nacktfoto von unter 14-Jährigen auf dem Handy hat, macht sich wegen Besitz von Kinderpornografie strafbar.