Ruheständler helfen Jugendlichen, den Weg in den Beruf zu finden: Das Konzept wirkt wie ein funktionierender Generationenvertrag. Die ehemalige Geschäftsführerin eines internationalen Kosmetikkonzerns und ein leitender Ingenieur berichten über ihre Erfahrungen beim Senior Experten Service (SES) – und wie Schulen und sie selbst von diesem Ehrenamt profitieren.
Dicht an der Zielgruppe sein ist wichtig, weiß die einstige Kosmetikexpertin. Deswegen hat Christiane Bondeau-Mougey ihren Tisch mitten auf dem Schulflur platziert. Sie berät Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund zur Berufsfindung. „Ich finde das so viel besser, als in einem Büro zu sitzen“, sagt sie und lacht. Die 63-Jährige unterstützt die Handelslehranstalt Rastatt seit knapp zwei Jahren. Ihr Einsatz ist Teil des Schulprogramms, das der Senior Experten Service (SES) in vielen Bundesländern anbietet. Ihre Aufgabe: Jugendliche bei der Suche nach Praktikumsstellen zu unterstützen. „Durchschnittlich bin ich einen Tag pro Woche im Einsatz. Pro Jahr betreue ich etwa 30 Schülerinnen und Schüler“, schätzt die einstige Geschäftsführerin.
Ihr großer Vorteil: Sie weiß, wie die Wirtschaft „tickt“. Dieses Know-how hilft Christiane Bondeau-Mougey dabei, Praktikumsplätze bei mittelständischen Unternehmen zu organisieren. Von ihrer Erfahrung profitieren die Schülerinnen und Schüler auch in anderer Hinsicht. „Manchmal gibt es unrealistische Erwartungen über Ausbildungen zum Arzt, Lehrer oder Wissenschaftler. Wir versuchen dann gemeinsam, ein geeignetes Berufsfeld zu finden.“
Wenn die Praktika dann laufen, ist die Senior Expertin ebenfalls als Ansprechpartnerin verfügbar. Für Unternehmen ebenso wie für Jugendliche, mit denen sie per WhatsApp Kontakt hält. Am Ende hilft die Senior Expertin auch bei der Bewertung der Praktika.
René de Ridder, Redakteur (Universum Verlag)
Organisation, Beratung und Betreuung kosten viel Zeit. „Frau Bondeau-Mougey ist ein Glücksfall. Wir profitieren von ihrer Fachkompetenz und sie entlastet das Kollegium“, betont Bernhard Richter-Hörlin, stellvertretender Leiter der Handelslehranstalt. Auch die SES-Expertin ist glücklich: „Ich bin am Puls der Zeit und kann meinen Beitrag für die junge Generation leisten.“
Nicht in eine Berufsschule, sondern in eine Wohnunterkunft für Geflüchtete führte Gerhard Kirchners Einsatz für den SES. Der Ingenieur für Verfahrenstechnik engagierte sich für das Programm zur Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen, kurz: VerA. Als SES-Ausbildungsbegleiter unterstützte er einen jungen Mann aus Gambia, der über das Mittelmeer nach Deutschland geflüchtet war.
Der Bäckerlehrling hatte soziale und sprachliche Probleme und bereits eine Ausbildung abgebrochen. Also kam Kirchner zur Rundum-Betreuung für rund zwei Jahre regelmäßig in das provisorische Wohndorf aus Containern. Er paukte mit dem Mann Deutsch und kaufte sich die Bücher für das Bäckerhandwerk, um Kalkulationen für Brot und Brötchen zu üben.
„Eine intensive Zeit mit Höhen und Tiefen“, erinnert sich der 76-Jährige. „Ich habe dabei gelernt, geduldiger und nachsichtiger zu werden“, sagt Kirchner, der früher für einen internationalen Mineralölkonzern im Ausland arbeitete.
Der anstrengende zweijährige Einsatz hat sich gelohnt. Der Auszubildende bestand die Abschlussprüfung zum Bäcker. Im praktischen Teil schloss er als Jahrgangsbester ab.