In Turnhallen herrschen Lärm und Trubel, Sportlehrkräfte sind permanent gefordert. Sportwissenschaftlerin Prof. Dr. Valerie Kastrup von der Universität Bielefeld erklärt, wie Lehrkräfte frühzeitig Belastungen reduzieren können.
Interview mit Prof. Dr. Valerie Kastrup, Universität Bielefeld
Ob am Reck oder beim Basketball: Von Sportlehrkräften ist voller Einsatz gefragt. Wie sehr setzt ihnen der Beruf mit dem Alter zu?
Das ist individuell verschieden. Aber unsere Studie zeigt, dass Sportlehrkräften mit dem Alter die Belastung mehr zu schaffen macht. Anders als im Klassenraum stehen sie ständig oder laufen hin und her, haben keine Ruhephasen. Es steigt auch die Empfindsamkeit, was Lärm angeht. Sporthallen haben eine sehr ungünstige Akustik. Das bedeutet mehr Anstrengung für die Stimme. Außerdem ist ein hoher Lärmpegel immer ein psychischer Stressfaktor.
Wie gehen ältere Lehrkräfte damit um?
Mit 50, 60 Jahren wollen viele Lehrkräfte verstärkt ihr anderes Fach unterrichten, also lieber mehr Englisch oder Mathe, dafür weniger Sport. Doch für Schulen ist es oft nicht leicht, diese Wünsche umzusetzen. Deshalb ist es sinnvoll, dass Sportlehrkräfte schon frühzeitig – etwa durch Fortbildungen – ihre eigenen Ressourcen reflektieren und stärken.
Wie kann so etwas aussehen?
Lehrkräfte sollten didaktisch-methodische Ideen entwickeln, wie sie die Belastung reduzieren können. Sinnvoll ist auch ein Stimmtraining. Außerdem sollten sich die Lehrkräfte – egal, ob jung oder alt – angewöhnen, die Schülerinnen und Schüler stets an einem Punkt zu versammeln, wenn sie eine Ansage machen, am besten durch ein Zeichen, ohne zu schreien. Die Trillerpfeife war früher pädagogisch verpönt. Aber in einer großen Halle macht ein derartiges akustisches Signal durchaus Sinn.
Welche Tipps sind noch empfehlenswert?
Die Lehrkräfte sollten gut auswählen, welche Techniken sie selbst vorführen. Will ein Lehrer zum Beispiel einen Hürdenlauf vormachen, riskiert er eine Zerrung. Ältere Menschen brauchen eine längere Aufwärmzeit, die im Sportunterricht nicht gegeben ist. Zur Professionalität gehört, eine Übung gut erklären zu können und Schülerinnen und Schüler in die Demonstration einzubeziehen.
Das Interview führte Kathrin Hedtke, freie Journalistin.
Wie lässt sich Lärm reduzieren?
Eine akustische Sanierung der Gebäude lohnt sich sehr. Schallgedämpfte Hallen sorgen für große Entlastung. Deshalb ist es umso ärgerlicher, wenn darauf bei Neubauten nicht geachtet wird.
Was können die Lehrkräfte selbst tun?
Gerade in Dreifachhallen ist wichtig, dass die Lehrkräfte ihre Unterrichtseinheit gut abstimmen. Beim Basketball zum Beispiel ist das Prellen so laut, dass nebenan kein Tanzen möglich ist. Außerdem sollte tabu sein, Musik als bloße Unterhaltung nebenbei laufen zu lassen. Das ist eine unnötige zusätzliche akustische Belastung.
Welche Stundenregelungen sind sinnvoll?
Unsere Untersuchung hat ergeben, dass Einzelstunden als wesentlich belastender empfunden werden als Doppelstunden. Außerdem hätten die meisten Lehrkräfte gerne mehr Sportstunden im Block nacheinander. Der Grund: Ständiges Umziehen und Wechseln der Gebäude kostet viel Zeit, die für Essen und Trinken fehlt.
Was sollte beim Stundenplan noch beachtet werden?
Häufig findet Sport am Nachmittag statt, in der Oberstufe durchaus bis 18 Uhr. Für die Lehrkräfte ist das ein sehr langer Schultag. Zumal sie die Zeit zwischendrin meist nicht sinnvoll nutzen können. Deshalb sollte darauf geachtet werden, dass die Sportstunden sinnvoll verteilt werden.
Wie sieht es mit der Belastung im Schwimmunterricht aus?
Vor allem in großen Schwimmbädern hallt es enorm und ist extrem laut. In öffentlichen Bädern sind häufig nur ein oder zwei Bahnen für den Schulunterricht geöffnet, sonst herrscht regulärer Betrieb mit entsprechender Lautstärke. Kleine Lehrschwimmbecken werden als deutlich angenehmer empfunden. Aber es gibt Bedingungen und Belastungen, die nicht zu ändern sind.
Welche Konsequenz ergibt sich daraus?
Alle Lehrkräfte haben in unserer Befragung gesagt, dass sie sich immer wieder für diesen Beruf entscheiden würden. Aber wichtig ist, sich von Anfang an bewusst zu machen, dass es nicht nur eine sehr schöne, sondern auch eine sehr belastende Tätigkeit ist. Die Lehrkräfte sollten mit den Belastungsfaktoren frühzeitig vertraut gemacht werden, am besten schon im Studium, um gegensteuern zu können.