Große Arbeitsbelastung, hohe Ansprüche an sich selbst: Das Referendariat und die ersten Jahre im Lehrberuf gelten als „harte“ und anspruchsvolle Zeit. Zwei junge Lehrerinnen erzählen, was ihnen geholfen hat, die vielfältigen Anforderungen des Berufseinstiegs zu meistern.
Zum Start eine Schlägerei: Vor den Augen der neuen Referendarin mündete ein Konflikt zwischen zwei Schülern in eine handfeste Auseinandersetzung. Die junge Frau trennte die Streithähne und führte ein verletztes Kind aus dem Klassenzimmer. „Diese Szene fand in meiner dritten Schulstunde statt“, erinnert sich Alisa Kirsch an den Beginn ihres Referendariats.
Herausforderndes Verhalten von Jugendlichen ist nur eine der Belastungen, die angehende Lehrkräfte zu bewältigen haben. Der Berufseinstieg ist geprägt von zeitraubender Unterrichtsvorbereitung, stressigen Lehrproben und zusätzlichen Schulprojekten. Dazu kommt oft der Anspruch, all diese Anforderungen perfekt zu bewältigen. Ein weiterer Faktor: Viele pendeln täglich lange Wege zwischen Wohn- und Arbeitsort. So werden die zwei Jahre Vorbereitungsdienst schnell zu einer Lebensphase, in der die Zeit für sportliche Aktivitäten und Freundschaften wegschmilzt.
Trotz der Anforderungen absolvierte Alina Kirsch ihr Referendariat erfolgreich. Als „fertige“ Lehrerin unterrichtet sie Deutsch, Geschichte und Ethik an der Realschule im baden-württembergischen Seelbach. Was ihr in der Ausbildungsphase geholfen hat: „100 Prozent Unterstützung durch die Schulleitung, Austausch mit anderen Referendarinnen und Referendaren und Tipps von meiner Mutter, die an einer Pädagogischen Hochschule lehrt.“
Zwar sind Lehrproben und Prüfungen des Referendariats mittlerweile Vergangenheit. Dafür sind neue Aufgaben dazugekommen. Die 29-Jährige ist Klassenlehrerin, und auch ihr wöchentliches Unterrichtspensum hat sich deutlich erhöht: Waren es früher 16 Stunden, sind es jetzt bei vollem Deputat 27 Stunden. Und mit der Übernahme neuer Klassen muss sie sich in neue Stoffgebiete einarbeiten.
René de Ridder, Redakteur (Universum Verlag)
Klassenlehrkraft sein, Elternabende organisieren, volles Stundendeputat, fachfremd unterrichten: Für Berufseinsteiger sind das oft die größten Herausforderungen. Zum ersten Mal Klassenleitung – gutes Classroom- Management ist die halbe Miete. Klares Zeitmanagement im Auge behalten. Die Work-Life-Balance sollte stimmen. Zeiten für Unterrichtsvorbereitung, Koordinationen, Konferenzen und Elterngespräche einplanen. Aber auch Freizeitaktivtäten sollten fest in der Wochenplanung einer jungen Lehrkraft verankert sein. Einige Empfehlungen, zusammengestellt von Kristina Mayer, Konrektorin der Ludwig-Uhland-Schule, Neu-Isenburg.
Obwohl sie von Schulleitung und Kollegium gut unterstützt wird, lautet Alina Kirschs Fazit zum ersten Berufsjahr: „Es war genauso anstrengend wie das Referendariat.“ Daher entwickelte sie für ihre Freizeit entlastende Strategien, um bewusst vom herausfordernden Schulalltag abzuschalten: Sie besucht Yogakurse, reitet mit dem Pferd durch den Schwarzwald, absolviert einen Goldschmiedekurs.
Nach dem ersten Jahr als Lehrerin beschließt sie, ihre Stelle auf 80 Prozent zu verringern. Und hat das Glück, einen freien Tag in der Woche zu haben. Mit der Entscheidung, den Stellenumfang zu reduzieren, ist sie nicht allein. „Die meisten jungen Lehrkräfte, die ich kenne, entscheiden während der ersten Jahre, das Stundenkontingent zu verringern“, berichtet die junge Deutschlehrerin.
Ebenso Sarina Späth erinnert sich gut an den harten Berufseinstieg. Die Lehrerin für Mathe, Biologie und Chemie erlebte ihr Lehramts-Referendariat als eine Zeit mit enormem Druck, Nervosität, hoher Arbeitsbelastung und Selbstzweifeln. „Zum Glück hatte ich eine Mentorin, die mir in dieser Zeit sehr geholfen hat und die ich Tag und Nacht anrufen konnte“, erinnert sich die junge Lehrerin, die wie Alina Kirsch an der Realschule Seelbach unterrichtet.
So unterstütze ihre Mentorin sie bei der Vorbereitung des Chemieunterrichts. Auf diese Weise musste die angehende Chemielehrerin nicht jeden Versuch selbst ausprobieren – und sparte wertvolle Zeit. „Es war auch hilfreich, wenn man nicht jedes Arbeitsblatt selbst anfertigen musste.“ Eine weitere Stütze ist „eine starke Partnerschaft“. Rückblickend sagt Sarina Späth: Ich wollte es als Referendarin perfekt machen. Aber dieser Anspruch hat mich viel Zeit gekostet.“
Im Januar 2019 steht sie im dritten Berufsjahr als Lehrerin. Den Belastungen des Schulalltags begegnet die Biolehrerin mit gutem Zeitmanagement. Sie plant Zeit für Unterrichtsvorbereitung und Freizeitaktivitäten fest ein. Zur Ablenkung joggt die 28-Jährige regelmäßig draußen in der Natur. So nahm sie sich vor, für einen Halbmarathon zu trainieren, und lief dann auch wie geplant 21 Kilometer am Stück.
Wie ihre Kollegin Alisa Kirsch ist sie Klassenlehrerin geworden. Eine Rolle, die ihr gefällt, weil sie eine persönlichere Beziehung zu Schülerinnen, Schülern und Eltern ermöglicht. Und glücklicherweise hatte die Leitung der Werkrealschule ein offenes Ohr für ihre Wünsche bei der Klassenauswahl, sagt sie. Lehrerin, ein Beruf mit vielen Belastungen? Ja, trotz aller Anforderungen sind beide Pädagoginnen sicher: „Es ist ein Traumberuf.“