Mobbing ist keine Ausnahmeerscheinung und nimmt nicht einmal die Grundschulen aus. Schulen mit einem stabilen, gesunden Lernklima haben jedoch deutlich weniger Probleme mit Gewalt und Mobbing. Kaj Buchhofer von der Beratungsstelle Gewaltprävention in Hamburg fordert aus gutem Grund den „Whole School Approach“. Dieser nimmt alle Ebenen des Systems Schule in den Fokus und versteht Mobbingprävention als eine gemeinsame Schulaufgabe. „Einzelaktionen wie Projekttage haben ihre Berechtigung. Die Schülerinnen und Schüler werden so für das Thema sensibilisiert“, meint Buchhofer. Dennoch: Nachhaltiger und wirkungsvoller ist ein klares, unmissverständliches Regelwerk, das entschlossen jeder Form von Gewalt eine Absage erteilt und konsequent durchgesetzt wird.
Lehrkräfte müssen bei kritischen Vorfällen genau hinsehen. Doch je geringer die Qualifizierung des Kollegiums beim Thema Mobbing ist, desto größer die Unsicherheit bei der Bewertung solcher Situationen. „Jede Lehrkraft muss wissen, wann sie einschreiten muss. Das Verständnis davon, was Gewalt ist, ist nicht verhandel- oder frei interpretierbar. Darauf muss eine Schule sich verständigen“, so Buchhofer.
In jeder Schule sollte es geschulte Ansprechpartner geben, an die sich Lehrkräfte im Falle eines Mobbing-Verdachts wenden können, etwa die Schulsozialarbeit. Denn bei echtem Mobbing ist es nicht möglich, dass eine Lehrkraft alleine interveniert“, sagt der Experte. Ideal sei ein Präventions- und Interventionskonzept, das Handlungsketten vorgebe, stets unter der Berücksichtigung des Opferschutzes. So kann geschultes Personal bei akuten Mobbingfällen unmittelbar und handlungssicher eingreifen.
Mobbing muss in der Schule gelöst werden. Es ist ein gruppendynamischer Prozess, der die gesamte Klassengemeinschaft betrifft. In vielen Schulen beliebt ist der non-konfrontative Ansatz unter dem Titel „No Blame Approach“. Der Name „Ansatz ohne Anschuldigung“ beinhaltet den Kern dieses Konzepts: Hier geht es nicht um eine Bewertung der Mobbinghandlungen und eine Bestrafung der Täter. Vielmehr arbeitet der systemische Ansatz mit einer Unterstützungsgruppe innerhalb der Klasse. Diese setzt sich aus sechs bis acht Mitschülerinnen und Mitschülern des Opfers zusammen – der oder die Täter, Assistenten und dem Opfer potentiell wohlgesonnene Unterstützer. Sie erarbeiten unter Anleitung einer geschulten Person Lösungsvorschläge.
Auch wenn die Rückmeldungen überwiegend positiv sind, No Blame ist nicht für jeden Mobbingprozess geeignet. Buchhofer: „Wenn der Mobbingprozess schon verfahren oder eskaliert ist, dann ist der No Blame Approach eher keine Option. Auch wenn in irgendeiner Form justitiable Übergriffe nicht stattgefunden haben.“ Außerdem müssen das Opfer und dessen Eltern einverstanden sein. „Eine Schule sollte ein Repertoire an klassischen Interventionsmöglichkeiten haben“, empfiehlt Buchhofer. Hilfreich wäre auch eine schulpsychologische Fortbildung aller Lehrkräfte zum Thema Mobbing.
Präventionsprogramme können helfen. So hat im September 2018 die Pilotphase zur Überarbeitung des „Anti-Mobbing-Koffers“ zu einer Online-Informationsplattform begonnen (www.gemeinsam-klasse- sein.de). Neben Unterrichtsmaterial finden registrierte Nutzer dort Infos zum Thema Intervention und Hinweise für die Arbeit mit Eltern.
Infos zum Anti-Mobbing- Koffer unter
http://t1p.de/antimobbingkoffer
Stefanie Richter, Redakteurin (Universum Verlag)