Wertschätzung und Wahrnehmung gehören an der Philipp-Schubert-Grundschule Wetzlar zum guten Ton. Schulleiter Friedolin Gronych war es daher wichtig, diese Werte auch im Schulprofil fest zu verankern. Er besuchte eine Fortbildung zum Classroom-Management des Projekts Gewaltprävention und Demokratielernen“, eine Initiative des hessischen Kultusministeriums. Heute haben alle elf Klassen der Schule einen Klassenrat, der wöchentlich tagt und Regeln bespricht. Zudem wurde ein Schülerparlament für alle 200 Kinder gebildet, mit zwei Vertretern aus jeder Klasse. „Man staunt nur, was alles zur Sprache kommt“, sagt der 65-Jährige.
Fühlen sich die Kinder zum Beispiel gestört, weil im Unterricht ständig jemand zur Toilette will, wird das Thema im Klassenrat strikt geregelt: Es ist nur noch eine Unterbrechung pro Stunde zugelassen. Gibt es Streit darüber, wer wann die Schaukel im Hof benutzen darf, beauftragt das Schülerparlament den Schulleiter, anhand der Stundentafel eine gerechte Verteilung zu organisieren. „Wenn Kinder mit solchen Problemen und Fragen zu uns kommen, sagen wir ihnen, wann immer möglich: Das müsst ihr in euren Runden besprechen“, erzählt der Schulleiter. Dabei bleibe aber keine Regel in Stein gemeißelt, sondern dürfe bei Bedarf wieder neu verhandelt werden.
Doch auch Wetzlar ist nicht Bullerbü. Ab und zu kommt es zu verbalen Entgleisungen und Attacken. Dann setzt sich der Schulleiter mit den Beteiligten in seinem Dienstzimmer zusammen und bespricht, was vorgefallen ist, was manche Worte überhaupt bedeuten und welche Lösungen es gibt. „Streitigkeiten werden bei uns wichtig genommen“, sagt der Schulleiter. „Die Schülerinnen und Schüler sollen wissen: Wenn sie etwas sagen, werden sie gehört.“ Daher stehe seine Zimmertür immer offen.
Pauschale Strafen gebe es nicht, denn jede Situation sei anders. Wenn aber zum Beispiel ein Junge einen anderen übel beschimpft, kann er die Aufgabe bekommen, fünf positive Seiten jenes Mitschülers aufzuschreiben oder ein freundliches Bild von ihm zu malen. „Mit ihren Ergebnissen“, erzählt der Grundschullehrer, „kommen die Kinder dann ganz stolz zu mir.“
Das Projekt des Hessischen Kultusministeriums „Gewaltprävention und Demokratielernen“ (GuD) qualifiziert Lehrkräfte aller Schulformen, ihre Schülerinnen und Schüler in partizipativen und Sozialkompetenz stärkenden Prozessen zu begleiten. Informationen unter gud.bildung.hessen.de
Das Projekt „Helden statt Trolle“ stellt praxisorientierte Unterrichtsmaterialien gegen Hassreden, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus bereit. Infos unter www.helden-statt-trolle.de Lesen Sie dazu auch die Anregungen für Active Speech auf der Rückseite dieses Magazins.
Auf dem Schulportal „DGUV Lernen und Gesundheit“ gibt es für alle Schulstufen eine Vielzahl von kostenlosen Unterrichtsvorschlägen zum Themenfeld Gewaltprävention. Geben Sie unter www.dguv-lug.de oben rechts den Webcode in die Suchmaske ein.
Konfliktbewältigung trainieren; Webcode lug1001795
Wir verstehen uns; Webcode lug1101449
Ich und wir; Webcode lug985773
Echt stark; Webcode lug1026182
Klassenrat; Webcode lug1036905
Gewalt in der Schule; Webcode lug905127
Cybermobbing; Webcode lug1078668
Zivilcourage; Webcode lug1072889
Verhandeln und Diskutieren; Webcode lug1001299
Gewaltprävention: Innere Gewalt; Webcode lug890513
Gewaltprävention: Gewalt von außen; Webcode lug1015759
Emotionsarbeit; Webcode lug1001208
Konflikte lösen; Webcode lug1055059
Sven Heitkamp, freier Journalist
Bei aller Freiheit und Mitbestimmung sind Meike Wiegand klare Regeln und Grenzen ebenso wichtig. „Wir müssen uns aufeinander verlassen können“, sagt Wiegand. „Wer Termine oder Hausaufgaben nicht einhält, kann nicht auf meine Unterstützung zählen.“ Bei gravierenden Verstößen oder Problemen organisiert sie zudem Hilfe bei Dritten, mal mit einem Gespräch bei der Schulsozialarbeiterin, mal mit einem klärenden Gang zum Schulleiter. Klare Grenzen setzt sie bei verbaler Gewalt: „Vor Anfeindungen und Fäkalsprache müssen wir uns schützen“, betont die Pädagogin. „An der Sprache muss man stets dranbleiben – sie verändert das Denken und Verhalten.“
Lehrerin Karin Planz vom Projekt „Gewaltprävention und Demokratielernen“ des Kultusministeriums Hessen über das Konzept des Classroom-Managements:
Wofür steht Classroom-Management?
Die Betonung liegt auf Management: Unterricht als Führungsaufgabe einer Gruppe von Menschen wie in einem Unternehmen. Zur Vermittlung von Lernstoff gehören Kommunikations- und Konfliktfähigkeit und ein Gefühl dafür, was gerade mit einer Gruppe passiert. Dies sollte man mit den Schülerinnen und Schülern auch reflektieren.
Mit welchen Instrumenten machen Sie die besten Erfahrungen?
Reden und Regeln! Wenn Störungen oder Konflikte auft reten, muss man Gespräche führen, je nach Lage mit dem Einzelnen oder der Gruppe, um Ursachen zu erfahren, Bedürfnisse zu besprechen und bestenfalls zu klären. Zugleich braucht die Gruppe ein paar klare Regeln und Rituale, die sie gemeinsam entwickeln können. Strukturen geben Menschen Sicherheit und Verlässlichkeit. Allerdings müssen auch die Konsequenzen besprochen und eingehalten werden. Abläufe sollten nachvollziehbar gesteuert werden.
Welche Ziele erreichen Sie damit?
Lernzeiten können effektiver genutzt werden, die Schülerinnen und Schüler haben mehr Spaß und Lernerfolge. Der Umgang in und mit heterogenen Gruppen wird verbessert. Auch Lehrkräfte behalten die Freude am Beruf und bleiben gesund.
Daneben hat die Schule einen Entspannungsraum geschaffen, wo Kinder Ruhe finden können, wenn sie voller Wut sind. Es gibt zwei Förderlehrkräfte und einen Sozialpädagogen, denen sie ihr Herz ausschütten können. Ältere Klassen übernehmen zudem für die jeweils jüngere eine Patenschaft. „Grundlage von allem ist die Beziehung und der Umgang miteinander“, betont Gronych. „Dank unserem respektvollen Klima haben wir wenig Auseinandersetzungen.“
Teambildung und Klassenklima sind auch für Meike Wiegand am Berufsschul-Campus Schwalmstadt (Hessen) das A und O. Auch die Lehrerin für Deutsch und Wirtschaftslehre hat eine Classroom- Fortbildung absolviert, um Konflikten, Mobbing und Gewalt noch besser vorzubeugen. Seither setzt sie wieder verstärkt auf Kennlernübungen, Gruppenbildung und Klassenklimatrainings – vom gemeinsamen Eisessen bis zur Exkursion. „Für ein gutes Lernklima ist es entscheidend, dass sich Schülerinnen und Schüler wohlfühlen und gehört werden. Schule muss ein vertrauter Ort sein – kein feindseliger.“
Weil an einer Berufsschule die Spanne mitunter vom Jugendlichen ohne Schulabschluss bis zur Abiturientin reicht, achtet sie darauf, dass alle Schülerinnen und Schüler mal miteinander arbeiten. Gerade in heterogenen Klassen unterschiedlichen Alters und aus verschiedenen Kulturen ist laut Wiegand ein Interessenausgleich wichtig. „Ein gutes Lernklima ist nicht gottgegeben“, betont Meike Wiegand. „Wenn man nichts für die Teambildung tut, muss man sich nicht wundern, dass Mobbing auftritt.“
Ehrlichkeit und Offenheit, Vertrauen und Verlässlichkeit sind für die Lehrerin die wichtigsten Werte. Zur Transparenz gehört auch, dass sie den Schülerinnen und Schülern selbst mitunter zeigt, wenn sie ratlos ist bei Störungen und Aggressionen. „Die Jugendlichen gehen dann selbst in einen Aushandlungsprozess“, erzählt sie. „Es werden Ursachen für die Unruhe besprochen und Auswege und Regelungen diskutiert.“
Trotzdem eskaliert schon einmal eine Situation. Etwa, wenn ein Schüler seinen Tisch umwirft, weil er keine Telefonate im Unterricht führen soll. In brenzligen Situationen gelte es, Ruhe zu bewahren, für eine Deeskalation zu sorgen und dem Schüler aus seinen Aggressionen herauszuhelfen. Mitunter könne eine kurze, klare Auszeit helfen, damit derjenige wieder zu sich findet. Wichtig sei dabei, später im Gespräch unter vier Augen die wahren Gründe für einen „Ausraster“ zu erfahren. Dafür nutze sie mitunter die Zeit nach dem Unterricht oder vereinbart einen persönlichen Termin.