Die Jugendlichen laufen und laufen, immer weiter. Bei Regen und Hitze. Bis die Füße schmerzen und sich Blasen bilden. Nach drei Tagen setzen sich die Schülerinnen und Schüler in Spanien auf den Boden und weigern sich, noch einen einzigen Schritt weiterzugehen. Klar ist: Die Pilgerreise über den Jakobsweg ist keine normale Klassenfahrt. „Wir bieten jedes Jahr besondere Herausforderungen an“, sagt die Leiterin der Heinz-Brandt- Schule Berlin, Miriam Pech. Keine Frage, Schule sei wichtig. Doch darüber hinaus gelte es, fürs Leben „noch tausend andere Sachen“ zu lernen.
Egal, ob Alpenüberquerung, Radtour nach Paris oder Fahrt mit dem Skateboard an die Ostsee. An der Integrierten Sekundarschule mit gymnasialer Oberstufe stehen jeden Sommer mehrere Herausforderungen auf dem Programm. Die Jugendlichen sollen die Welt erkunden, sich auf neue Situationen einlassen, an Grenzen stoßen, Hindernisse überwinden. Kurzum: Herausforderungen meistern. „Es geht darum, sich etwas zuzutrauen“, betont Pech. Die Schulleiterin ist überzeugt, dass diese Erfahrungen gut fürs Selbstbewusstsein sind und die Persönlichkeit stärken.
Dazu zähle auch der Umgang mit Krisen, sagt die Pädagogin. Auf der rund 300 Kilometer langen Wanderung von León nach Santiago de Compostela waren die 15 Jugendlichen nach der ersten Etappe total erschöpft. Die Mädchen und Jungen im Alter von zwölf bis 16 Jahren überlegten, ob sie die Reise abbrechen, und beschlossen als Gruppe: Sie machen weiter. „Damit war der Knoten geplatzt.“ Als sie nach knapp zwei Wochen an ihrem Ziel ankamen, waren die Jugendlichen von Stolz erfüllt.
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Kathrin Hedtke, freie Journalistin
Schon die Vorbereitungen spielten eine wichtige Rolle. Die Pilgerreise kostete pro Person 350 Euro. Die Eltern bezahlten 150 Euro, den Rest mussten die Jugendlichen vorher selbst verdienen. „Dadurch sind sie als Gruppe sehr zusammengewachsen“, sagt die Schuldirektorin.
In puncto Sicherheit erforderte die Wanderung nicht mehr Vorbereitung als eine normale Klassenfahrt. Die Jugendlichen lernten, entzündete Blasen zu desinfizieren und in den Unterkünften auf Hygiene zu achten. Die oberste Regel: „Trinken, trinken, trinken.“ Jeden Tag rund 30 Kilometer ist eine lange Strecke. Hinzu kam, dass sie nach dem langen Fußmarsch noch einkaufen und kochen mussten. Die Reise vermittelte auch ganz lebenspraktische Fähigkeiten, Zwiebeln schneiden zum Beispiel. Als sie einige Schülerinnen und Schüler mit dem Messer hantieren sah, wurde der Schulleiterin angst und bange. „So etwas machen sie anscheinend zu Hause nicht.“
Auch den Betreuern verlange so eine Reise einiges ab und sei nicht jedermanns Sache. Deshalb steht es Lehrkräften frei, daran teilzunehmen. Miriam Pech selbst genießt es, so intensiv mit den Jugendlichen zusammen zu sein. Für die Schulleiterin steht fest: „Unterm Strich war es eine großartige Fahrt.“ Am liebsten würde sie sofort wieder zum Jakobsweg aufbrechen. Aber die anderen drei Betreuer – ihr Mann, ein Lehrer und eine Sozialpädagogin – brauchen eine Pause. Deshalb fährt sie nächsten Sommer mit zehn Schülerinnen und Schülern an die Ostsee. Straßenmusik machen.