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Der Sucht keine Chance

Rauschmittel sind in Deutschland weit verbreitet. Fast alle Erwachsenen unter 64 Jahren trinken zumindest gelegentlich Alkohol. Knapp jeder Dritte raucht und jeder Vierte hat schon mal Cannabis konsumiert, belegen Zahlen des Epidemiologischen Suchtsurvey (ESA). Mit dieser vom Bundesgesundheitsministerium geförderten Studie wird regelmäßig der Konsum von Alkohol, Tabak, illegalen Drogen sowie Medikamenten in Deutsch-land erfasst.


Fest steht: All diese Substanzen schädigen die Organe. Die Folgen können tödlich sein: Mindestens 150.000 Menschen sterben jährlich bundesweit an den Auswirkungen des legalen Tabak- oder Alkoholkonsums, rund 1.300 erliegen illegalen Drogen, schätzt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).


Tabakkonsum sinkt, Cannabis nimmt zu


Jugendliche sind anfällig für Suchtmittel. Zwar hat das Interesse an Zigaretten deutlich nachgelassen. Studien der BZgA zeigen, dass heutzutage nur noch etwa jeder zehnte Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren raucht – im Jahr 2001 war es noch mehr als jeder Vierte. Jedoch: „Alkohol und vereinzelt illegale Drogen sind im Verlauf der Sekundarstufe ein wichtiges Thema“, sagt Stephanie Köster, Sozialpädagogin von der Fachstelle Prävention in Frankfurt/Main.


Das bestätigt auch die BZgA-Studie: Fast 70 Prozent der Jugendlichen haben schon Alkohol probiert. Etwa jeder Siebte gab an, sich im vergangenen Monat mindestens einmal einen Rausch angetrunken zu haben – obwohl insgesamt auch der Alkoholkonsum Minderjähriger in den vergangenen Jahren statistisch gesehen kontinuierlich abgenommen hat. Dagegen stieg der Anteil derjenigen, die Cannabis konsumieren, zuletzt wieder an. Etwa zehn Prozent der Befragten haben Erfahrungen mit Cannabis.


Ein früher Kontakt mit Rauschmitteln beinhaltet Risiken. Nicht nur wegen des Abhängigkeitspotenzials, sondern auch weil Drogen im Verdacht stehen, die Hirn-reife Heranwachsender nachhaltig zu beeinträchtigen. Außerdem können Sucht- mittel die Entwicklung von Problemlöse-fertigkeiten ernsthaft behindern. Viele Jugendliche wollen mit ihrer Hilfe kurzfristig unangenehme Situationen bewältigen und versäumen dadurch, ihre Gefühle auf andere Weise zu kontrollieren – etwa durch Sport oder Gespräche mit Freunden.

Konsum nicht ignorieren


Neben den vielfältigen Präventionsangeboten könnten auch neue gesetzliche Regelungen zum starken Rückgang der Raucher sowie sinkenden Alkoholkonsum Minderjähriger in den vergangenen Jahren beigetragen haben, wie beispielsweise der erschwerte Zugang zu Zigaretten aus dem Automaten. Zudem sei sogenanntes Koma- oder Flatratesaufen heutzutage weniger stark verbreitet als früher, berichtet Stephanie Köster.


Trotzdem kommt es auch an Schulen immer wieder zu problematischem Konsum. Die betroffenen Jugendlichen fallen oft dadurch auf, dass sie sich stark verändern: Ihre Leistung sinkt, Verspätungen häufen sich. Oft kann sich jemand nicht mehr ausreichend konzentrieren und schläft im Unterricht ein. Manche schließen sich einer neuen Clique an. Lehrkräfte sollten derartige Beobachtungen zunächst mit Kolleginnen und Kollegen besprechen. Haben diese Ähnliches beobachtet, ist ein Gespräch mit der Schülerin oder dem Schüler zu empfehlen.


Besteht ein Verdacht auf ein Suchtproblem, können Schulen das konkrete Vorgehen in einer sogenannten Konsumvereinbarung festlegen. Diese wird von Schulleitung, Lehrkräften, Eltern- und Schülervertretung gemeinsam erstellt.


Die Vereinbarung kann zum Beispiel beinhalten, dass betroffene Schülerinnen und Schüler eine Suchtberatungsstelle aufsuchen müssen, um die individuelle Situation zu klären und festzulegen, welche Konsequenzen, aber auch welche Unterstützung Jugendliche von der Schule erwarten können. Lehrkräfte wiederum können sich rückversichern, wie sie bei einem Vorfall richtig handeln. „Die Schulen, die sich damit intensiv auseinandersetzen wollen, erhalten fachliche Unterstützung durch die Suchtpräventionsangebote in ihrer Stadt oder Region“, meint Sozialpädagogin Köster: „Der größte Fehler ist, das Problem zu ignorieren.“


Nele Langosch, Journalistin und Diplom-Psychologin


redaktion.pp(at)universum.de

Angebote in ganz Deutschland


Wichtig ist, dass die Schülerinnen und Schüler das vermittelte Wissen in ihre Lebenswelten integrieren können. „Unserer Erfahrung nach sind interaktive Workshops besonders wirkungsvoll“, berichtet die Sozialpädagogin. Bei dem Planspiel „Tom & Lisa“ organisieren Jugendliche beispielsweise eine Party und setzen sich unter anderem damit auseinander, welche Vor- und Nachteile Alkohol beim Feiern hat. Außerdem sollen sie überlegen, wie sie auch ohne Alkohol auf der Party Spaß haben können. Entwickelt wurde das Planspiel vom Zentrum für Suchtprävention „Villa Schöpflin“ in Lörrach (Baden-Württemberg). Zu diesem Konzept fallen die Rückmeldungen aus Schulen nach Einschätzung der Fachstelle sehr positiv aus. Ähnliche Angebote zur Suchtprävention in Schulen gibt es in ganz Deutschland (siehe Infokasten).


Neben stoffbezogenen Süchten gewinnen Verhaltenssüchte wie Online-, PC-Spiel-sucht oder Glücksspielsucht unter Jugendlichen zunehmend an Bedeutung. Daher sollten Kinder schon in den Grundschulen im Umgang mit Computer und Co. geschult werden. Für Lehrkräfte bietet unter anderem die Frankfurter Fachstelle zu diesem Themenfeld Fortbildungen an. Auch das Umfeld von Kindern und Jugendlichen wird gestärkt, zum Beispiel mit themenbezogenen Elternabenden.

Weiterführende Informationen

  • Mehr über die Angebote der Fachstelle Prävention Frankfurt am Main finden Sie im Internet unter www.fachstelle-praevention.de. Ein Verzeichnis bundesweiter Einrichtungen für Suchtprävention sowie Materialien und aktuelle Informationen finden Sie auf dem Fachportal für Suchtvorbeugung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: www.prevnet.de.
  • Weitere Informationen zur Suchtprävention bietet die Webseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) unter www.bzga.de/bot_suchtpraevention.html.
  • Die Erstellung einer Konsumvereinbarung ist ein intensiver innerschulischer Prozess und sollte sich am jeweiligen schulischen Profil orientieren.
  • Weitergehende Informationen über das Planspiel zur Alkoholprävention „Tom und Lisa“ finden sich unter: www.villa-schoepflin.de/thema/ueberregional/tom-lisa.html.

 

 

Suchterkrankungen in der Sekundarstufe sind die Ausnahme


Allerdings mündet nicht jedes Experimentieren mit Rauschmitteln gleich in eine Sucht. „In Kindheit und Jugend findet meist nur ein Probierkonsum statt. Suchterkrankungen in der Sekundarstufe sind die Ausnahme“, sagt Stephanie Köster von der Fachstelle Prävention. Doch leichtfertige Einstellungen, die im Jugendalter entstanden sind, können sich im Erwachsenen- alter verfestigen.


Informieren, beraten, Alternativen aufzeigen


Die Suchtprävention an Schulen beginnt in der ersten Klasse. Bereits im Grund-schulalter lernen Kinder, ihre Bedürfnisse zu erkennen und Grenzen zu setzen. „Je früher man ihr Selbstkonzept stärkt, desto besser können sich Kinder auch später behaupten“, erklärt Köster. Die Frankfurter Fachstelle bietet daher Fortbildungen für Grundschullehrkräfte an. Vermittelt wird, wie Schülerinnen und Schüler dabei unterstützt werden können, sich zu eigenständigen und starken Persönlichkeiten zu entwickeln.


Für das Jugendlichen-Alter verschiebt sich der Fokus der Präventionsarbeit. Nun geht es hauptsächlich um den richtigen Umgang mit bestimmten Rauschmitteln, besonders mit Alkohol. „Der Konsum von Alkohol gilt in unserer Gesellschaft als legitimes Zeichen des Erwachsenwerdens“, berichtet die Präventionsexpertin. Auch Cannabis interessiere die Jugendlichen sehr, harte Drogen dagegen weniger. Zudem orientiert sich die präventive Informationsarbeit an regionalen Problemlagen. So verbreitet sich beispielsweise in einigen Regionen aktuell Methamphetamin (oft Crystal Meth genannt), eine synthetische Droge, die sehr schnell abhängig macht. Laut eines Berichts der Drogenbeauftragen der Bundesregierung stammt die gefährliche Substanz fast ausschließlich aus der Tschechischen Republik (siehe auch www.drugcom.de, Drogenlexikon, Eintrag Methamphetamin). „Daher beschäftigt Crystal Meth die Suchthilfe besonders in ostdeutschen und bayerischen Grenzregionen“, so Stephanie Köster.


Bewusst werden bereits in der siebten und achten Klasse Informationsveranstaltungen zur Suchtprävention angeboten, um auf die vergleichsweise „partyreiche“ Phase der neunten und zehnten Jahrgänge vorzubereiten. „Denn spätestens dann hat besonders Alkohol eine große Bedeutung“, erklärt Köster. Ziel sei es nicht, lebens-lang auf Bier oder Wein zu verzichten, sondern einen verantwortungsvollen und risikoarmen Konsum zu vermitteln. „Wir benennen offen und ehrlich die Gefahren und fördern so die Risikokompetenz.“.

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