Vor fast genau zwei Jahren fand der Spatenstich für den Bau der Mensa am Gymnasium am Römerkastell in Bad Kreuznach (Rheinland-Pfalz) statt. Warum haben Sie sich damals entschlossen, eine Mensa zu betreiben?
Weil ich der Meinung bin, dass man früh fördern sollte. Und wenn man nicht schon Kindern Genuss und Spaß an gutem Geschmack zeigt, wie sollen sie das später lernen? Achtung vor der Natur, Respekt vor der Arbeit der Landwirte und vor allem woher all das kommt, was wir auf dem Teller haben. Ich möchte natürlich möglichst viele gleichzeitig erreichen und so kam die Idee mit der Schulmensa als Pilotprojekt auf. Eine Idee, die ich keinen Moment lang bereut habe und ein Projekt, das riesigen Spaß macht.
Um Ihre Idee von der guten, gesunden Mensa umzusetzen, gründeten Sie "food@cuation". Was genau verbirgt sich dahinter?
Es reicht nicht aus, Kindern gutes, gesundes und leckeres Essen anzubieten. Um ein Gefühl für guten Geschmack zu bilden, braucht man mehr. food@ucation trägt dazu bei, bleibende Werte zu schaffen. Durch spielerisches Lernen, bei dem Theorie und Praxis sanft gefördert werden und dadurch neugierig und Lust auf mehr machen. Durch Kochkurse zum Beispiel, durch einen Lehrplan, der auch theoretisches Wissen zum Thema enthält, durch unsere eigene Ökotrophologin, eine junge Expertin für Haushalts- und Ernährungswissenschaft, durch ganz viele Projekte in einer Koch AG für die Kinder und Jugendlichen und noch viel mehr.
Was gehört neben einer gesunden Verpflegung außerdem zum pädagogischen Gesamtkonzept?
Vor allem das spielerische Vermitteln von Verständnis. Das fängt mit einer luftigen, hellen und freundlichen Umgebung an, führt weiter über eine tägliche Ausstellung der rohen Lebensmittel neben der Essenausgabe mit den frisch zubereiteten Gerichten auf schönen Tellern, die auf Tabletts gereicht werden, die von den Kindern bemalt wurden.
Mitsprache von den Kindern und deren Eltern ist wichtig, die Wünsche der Kinder nehmen wir ernst und setzen sie gemeinsam mit ihnen um. Es wird keine Entscheidung ohne sie getroffen. Jeden Tag können die Schülerinnen und Schüler zum Beispiel einfache Feedbackkarten ausfüllen und wir lesen sie alle. Kinder haben tolle Ideen und es macht Spaß, sie in eine gute, gesunde und günstige Ernährung umzusetzen.
Welche größeren Hürden mussten Sie überwinden, um die neue Mensa am Gymnasium Römerkastell in Gang zu kriegen?
Die größte Hürde war, dass Schulessen als Thema meist stiefmütterlich behandelt wurde. Die Überzeugung zu bilden, dass Schulessen ganz wichtig für die körperliche und seelische Entwicklung der Kinder ist und dass sich gutes Essen positiv auf ihre Konzentrationsfähigkeit und ihre Noten auswirkt. Auch wenn es auf der Hand liegt, dass richtiges Essen viel bewirkt, war es ein zäher Weg, das auch zu vermitteln. Schön ist, dass es jetzt völlig selbstverständlich ist und unser Schulessen ein fest integrierter Bestandteil in der Ausbildung aufgeweckter, selbstbewusster, neugieriger Kinder ist, die wissen, was gut ist.
Warum war es Ihnen wichtig, beim Mensa-Projekt Schülerschaft und Eltern mit einzubeziehen? Und wie sind Sie dabei konkret vorgegangen?
Es ist einer der wichtigsten Punkte, gemeinsam zu überlegen, zu planen und zu handeln. Die unterschiedlichen Blickwinkel, Interessen, Ideen und Geschmäcker sind das A und O, um auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Wir können ja nicht die Wünsche der Eltern, Kinder oder Lehrer außen vorlassen und dann glauben, dass es klappt. Der Mensabeirat trifft sich vier Mal im Jahr.
Dabei wird darüber gesprochen, was gut ist und was noch verbessert werden könnte - aus der unterschiedlichen Sichtweise von allen. Daraus entwickeln wir uns weiter und mit uns die Mensa. Lehrer, Eltern, Köche erleben die Schüler in unterschiedlichen Bereichen und die Schüler selbst haben auch ständig wechselnde Erlebnisse und Entwicklungsphasen. Je mehr wir auf all das eingehen können, desto besser ist das Ergebnis der Mensa und damit für die Schüler.
Wie nehmen die Kinder und Jugendlichen das Essen mittlerweile an? Welche Rolle spielen Rückmeldungen von Schülerinnen und Schülern?
Sie haben es von Anfang an gut angenommen und es werden immer mehr. Angefangen haben wir mit etwa 120 Schülerinnen und Schülern, jetzt sind es schon knapp 700 am Tag. Nicht nur, weil es schmeckt, sondern auch deswegen, weil wir die Vorschläge, Kritikpunkte und Ideen der Kinder ernst nehmen, uns damit auseinandersetzen und sie umsetzen. Jeden Tag aufs Neue. Sie kommen gern, mögen es, mitzugestalten und sie genießen gemeinsam das, was aus der Küche kommt.
Vor einiger Zeit zogen Sie nach einem Jahr Mensabetrieb Bilanz und sprachen von einem Minusbetrag von ca. 58.000 Euro, der entstanden sei. Warum ist es so schwierig, mit einem Mensabetrieb kostendeckend zu arbeiten?
Gute Qualität und Frische haben ihren Preis. Dazu gehören die Lebensmittel ebenso wie die Zubereitung in der Küche. Es ist auch nicht ganz einfach, die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen so zu erfüllen, dass kostendeckend gearbeitet werden kann. Schon gar nicht mit einem Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent für Schulessen. Man lernt mit der Zeit dazu und auch durch das ständig wachsende Verständnis der Kinder für saisonale und regionale Lebensmittel und wie sie produziert werden, lassen sich Schritt für Schritt verbesserte Möglichkeiten schaffen.
Gemüse, das nicht nur als fertige Ware im Supermarktregal, sondern mit dem Auge auf Wachstum und Pflege betrachtet wird, erhält einen anderen Stellenwert. Mein Ziel war und ist es, kostendeckend gutes, gesundes, leckeres und günstiges Mensa-Essen zu verwirklichen. Natürlich klappt das nicht gleich von Anfang an, aber im Laufe der Zeit wird es funktionieren.
Planen Sie eigentlich, weitere Mensen nach diesem Konzept zu betreiben?
Am besten würde es mir gefallen, wenn jede Mensa und Kantine in Deutschland ein Konzept hätte, das in der Mittagspause ein Leben für den guten Geschmack fördert und gleichzeitig dafür sorgt, dass wir alle das, was die Natur uns bietet, wertschätzen. Mit einer Ernährung, die allen ebenso viel Spaß macht wie das Ambiente. Essen, das für alle Kinder, Jugendliche, Studierenden und Berufstätige selbstverständlich sein sollte. Überall, in jedem Kindergarten, in jeder Schule, in jeder Behörde und in jedem Betrieb. Gemeinsam Gutes genießen fördert die Gesundheit, die Kreativität, die Leistung und das allgemeine Wohlbefinden. Das ist mein Wunsch.
Planen Sie eigentlich, weitere Mensen nach diesem Konzept zu betreiben?
Am besten würde es mir gefallen, wenn jede Mensa und Kantine in Deutschland ein Konzept hätte, das in der Mittagspause ein Leben für den guten Geschmack fördert und gleichzeitig dafür sorgt, dass wir alle das, was die Natur uns bietet, wertschätzen. Mit einer Ernährung, die allen ebenso viel Spaß macht wie das Ambiente. Essen, das für alle Kinder, Jugendliche, Studierenden und Berufstätige selbstverständlich sein sollte. Überall, in jedem Kindergarten, in jeder Schule, in jeder Behörde und in jedem Betrieb. Gemeinsam Gutes genießen fördert die Gesundheit, die Kreativität, die Leistung und das allgemeine Wohlbefinden. Das ist mein Wunsch.
Was würden Sie als Gastronomie-Fachmann anderen Schulen raten, die planen, ihre Schulverpflegung auf neue Beine zu stellen?
Ich rate ihnen, sich auf die Bedürfnisse und Wünsche aller einzustellen und einzulassen: Auf die Einrichtungswünsche und den Platzbedarf der Kinder ebenso wie auf die Bedenken der Eltern und Lehrer, auf die Einrichtungsbedürfnisse und Zeitabläufe der Köche, die das Essen für viele Personen frisch zubereiten, auf einen reibungslosen Ablauf für die Schüler in der relativ kurzen Mittagszeit, in der sie nicht nur gut essen, sondern sich auch unterhalten, chillen und spielen wollen. Und vor allem: Auf beste Qualität, absolute Frische und reichhaltige Abwechslung im Speiseplan.
Gab es im täglichen Mensabetrieb Dinge, die Sie als Spitzenkoch besonders überrascht, geärgert oder gefreut haben?
Das Einzige, was mich ärgert, ist der Mehrwertsteuersatz von 19 statt sieben Prozent für Schulessen. Dass gute Ernährung für Kinder so hoch besteuert wird, schadet ihrer Entwicklung und damit den späteren Generationen und keiner will es wahrhaben. Am meisten und immer wieder freut und überrascht mich die unbefangene Offenheit der Schüler. Kinder sind gnadenlos ehrlich und ihre Kritik und ihr Lob gehen mir immer unter die Haut. Das sind echte Emotionen. Es ist ein großer Unterschied, ob man in der Spitzengastronomie für Erwachsene oder für Kinder in einer Schulmensa kocht. Kinder geben sofort Feedback - ohne Scheu. Dabei sind sie auch noch unglaublich fantasievoll und witzig. Wenn es ihnen gut schmeckt, strahlen ihre Augen und sie wollen mehr davon. Das ist schön.
Das Gespräch führte Hanna Ashour, Redaktionsvolontärin, Universum Verlag, redaktion.pp@universum.de