Foto: Mauritius

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Lost in Space

Etwa fünf Prozent der 40 Millionen deutschen Internetnutzer sind computersüchtig, so eine Studie der Humboldt-Universität in Berlin. Doch nicht jeder, der lange vorm PC sitzt, ist computerabhängig.

Der Übergang vom harmlosen Internetspielen zum übermäßigen Dauerkonsum ist fließend und kann durchaus in der Sucht enden. "Von der Internet- und Spielsucht sind hauptsächlich Jungs, männliche Jugendliche und junge Erwachsene betroffen", erklären die beiden Diplom-Psychologen Dr. Klaus Wölfling und Kai W. Müller von der Psychosomatischen Klinik der Universitätsmedizin Mainz. Computersüchtige ziehen sich Schritt für Schritt aus ihrem sozialen Umfeld zurück. Sie vernachlässigen ihre Familie, die Schule oder die Arbeit und nehmen die dort gestellten Aufgaben und Anforderungen kaum noch wahr: Freundschaften und Hobbys werden zum Teil oder ganz aufgegeben. "Die Person isoliert sich, vermisst den sozialen Kontakt aber auch nicht", erläutert Wölfling. Die Kommunikation verlagert sich von der realen in die virtuelle Welt.


Sozial isoliert

Die Spieler vereinen sich über ihre Spielfiguren und bilden ein virtuelles soziales Netzwerk. Einzelkämpfer haben da keine Chance. Sie müssen sich untereinander absprechen. Wie der Diplom-Sozialpädagoge Jannis Wlachojiannis in einem Interview mit der Welt-online beschreibt, stellen sich einige Powerspieler nachts sogar den Wecker, um den Anschluss nicht zu verpassen, oder verlassen den Computer nicht einmal, um auf die Toilette zu gehen. Stattdessen benutzen sie Flaschen. Das Vorankommen im Spiel bedeutet Anerkennung und Lob von den Mitspielern. Dabei entsteht ein starkes Gemeinschaftsgefühl, das einer Freundschaft zu einer realen Person ähnelt. Der Unterschied: Die soziale Nähe fehlt. In den Gesprächen dreht sich alles nur um das Spiel - das Schlagen von Schlachten und das Erreichen des nächsten Levels. Um besser zu werden, müssen die Spieler immer mehr Zeit investieren. Das Ende dieser Spirale? Schule schwänzen, nicht mehr zur Arbeit gehen, schlechte Noten, Jobverlust und häufig Geldprobleme.


Risiko Gesundheit

Wer stundenlang vor dem Computer sitzt, lebt ungesund. Die Spieler vergessen häufig zu essen und nehmen drastisch ab. Andere greifen zu Fastfood und Süßigkeiten und werden dick. Blasse Haut, Rückenschmerzen, Seh- oder Schlafstörungen können weitere körperliche Anzeichen von Computerabhängigkeit sein. "Einige der Langzeitspieler sind häufiger gereizt, nervös und fangen sich aufgrund ihres schlechten Immunsystems jeden Erkältungs- oder Magen-Darm-Virus ein", gab der Kindertherapeut und Autor Wolfgang Bergmann in einem Gespräch mit der ARD zu bedenken.


Was passiert im Körper?

Beim Computerspielen schüttet das Belohnungszentrum im Gehirn das Glückshormon Dopamin aus. Dies lässt die Spieler Freude und Befriedigung empfinden. Umso mehr Dopamin im Hirn zirkuliert, desto erstrebenswerter erscheint ein Ziel. Außerdem bewirkt das Hormon, dass bestimmte Verbindungen von Nervenzellen im Gehirn immer stärker werden. "Wenn es ein starkes Glücksgefühl beim Spielen gibt, baut das Gehirn so etwas wie Autobahnen für diese Reize", erläutert Gerald Hüther, Hirnforscher an der Universität Göttingen in einem Gespräch mit dem Stern. Dann kann allein der Blick auf den Computer das Verlangen nach einem weiteren Spiel auslösen.

Foto: Jürgen Röhrscheid

Foto: Jürgen Röhrscheid

"Das Spielen wird zum Lebensinhalt"

DGUV pluspunkt sprach mit Dr. Klaus Wölfling, psychologischer Leiter der Ambulanz für Spielsucht in Mainz.


Herr Dr. Wölfling, kann Computerspielen wirklich süchtig machen?

Eindeutig ja. Abhängigkeit verbinden die meisten Menschen mit so genannten stoffgebundenen Süchten, zum Beispiel Alkohol, Medikamenten oder illegalen Stoffen wie Kokain. Aber auch stoffungebundene Phänomene wie Computerspiele, Einkaufen und Glücksspiel können süchtig machen und das Gehirn und die Persönlichkeit eines Menschen verändern. Fakt ist, dass betroffene Jugendliche zwanghaft spielen und bei Verbot Entzugserscheinungen haben: Ihr Herz fängt an zu rasen und Schweiß bildet sich auf der Stirn. Einige fühlen sich niedergeschlagen, sind unruhig, reizbar oder auch aggressiv.

Ab wann wird Computerkonsum zum Problem?
Wenn der Nutzer nicht mehr über Beginn, Ende und Dauer des Spiels entscheiden kann und ein unwiderstehliches Verlangen spürt, dem er nachkommen muss. Die Betroffenen spielen immer häufiger. Der Computer und das Spiel werden zum Lebensinhalt.

Wie helfen Sie den Betroffenen?
Wir analysieren das individuelle Spielverhalten, den körperlichen Zustand und die auslösenden und aufrechterhaltenden Faktoren. In Einzelgesprächen erfahren wir mehr über das soziale Umfeld und die Entstehungsgeschichte des Suchtverhaltens. Dabei hinterfragen wir, welche Emotionen und Motivationen eine Rolle spielen. In Gruppentherapien können sich die Betroffenen austauschen und Rückhalt finden. Mannschaftssportarten wie Fußball oder alltägliche Tätigkeiten wie Kochen sollen die Patienten in die Realität zurückholen. Vernachlässigte Hobbys oder soziale Kontakte sollen wiederentdeckt werden. Hauptziel ist, die Spielzeit stark zu reduzieren.

Wie sollten sich Angehörige und Freunde verhalten?
Angehörige und Freunde sollten dem Betroffenen sagen, was sie beobachten und empfinden - ganz offen ansprechen und ohne Vorwürfe. Viele der Betroffenen trauen sich nicht, über ihre Probleme zu reden, und leiden darunter. Sie fangen an zu lügen. Spannungen bauen sich auf. Der konkrete Wille, etwas zu ändern und professionelle Hilfe anzunehmen, muss allerdings von dem Betroffenen selbst kommen. Nur dann können wir helfen.

AUTORIN
Diane Zachen ist DGUV pluspunkt-Redakteurin.

Bei Fragen zu diesem Beitrag können Sie sich gerne an uns wenden: redaktion.pp(at)universum.de

Wo findet man Hilfe?


Suchtkrankenhilfen und Beratungsstellen

  • www.onlinesucht.de wurde 2004 vom eingetragenen Verein gegen Mediensucht mit dem Schwerpunkt Onlinesucht gegründet. Diese Website bietet ein Forum, in dem interessierte Menschen praktische Tipps für den richtigen Umgang mit Computern finden. Zudem vermittelt sie bundesweit Therapeuten sowie Beratungsstellen.
  • www.rollenspielsucht.de ist eine Elterninitiative von und für Eltern, betroffene Angehörige beziehungsweise Freunde.
  • Beratungsstelle "Lost in Space" in Berlin. Sie gehört zum Café Beispiellos, einer Anlaufstelle für Glücksspielkranke. Träger ist die Caritas.
  • www.dicvberlin.caritas.de Ambulanz für Spielsucht Universitätsmedizin Mainz
  • www.unimedizin-mainz.de > Patienten > Behandlungsangebote > Ambulanzen

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